Klar, das Bit des bekannten Berliner Comedians zielt auf Lacher im Publikum ab. Trotzdem ist es eine schöne Frage, die wir nachstehend ein wenig umfassender beleuchten möchten.
Fakt ist: Ablenkungen jeder Art können beim Führen eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr fatale Folgen haben. Deshalb ist das Nutzen eines elektronischen Gerätes während der Fahrt grundsätzlich verboten (§ 23 StVO) und wird vergleichsweise hart bestraft: Mindestens ein Punkt und 100 € werden fällig, im schlimmsten Fall sogar zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot und 200 €.Und das ist auch gut so, denn der Blick auf’s Handy lenkt gefährlich lange ab. In der Folge kommt es immer wieder zu Unfällen, glücklicherweise meist “nur” ein Sachschaden am Auto und damit ein Fall für die KFZ-Versicherung. Schäden am Smartphone werden hingegen von der Handyversicherung getragen.
Fragen über Fragen
Aber wie sieht’s denn nun aus, darf ich mit einem Stück Holz “Handy” spielen? Unter welchen Umständen darf ich mein Handy doch nutzen? Darf ich mein Handy während der Fahrt an ein Ladekabel hängen? Darf ich mit einem Taschenrechner meine Nebenkostenabrechnung überprüfen? Darf ich über mein Autoradio ein bestimmtes Lied aus meiner Lieblings-Playlist suchen? Darf ich während der Fahrt einen Zwischenstopp zur Navigation hinzufügen? Und was ist eigentlich mit der Smartwatch, darf ich diese uneingeschränkt verwenden?
Viele Fragen, alles Sonderfälle… Um diese Fragen richtig beantworten zu können, müssen wir zunächst den genauen Gesetzestext lesen und verstehen.
Handyverstoß – Das Gesetz
In der aktuellen Fassung der Straßenverkehrsordnung findet sich unter Paragraph §23 folgender Wortlaut:
(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
2. entweder
a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Hmm… Nicht alles verstanden? Macht nichts, wir arbeiten es gemeinsam durch.
Zunächst definiert der erste Abschnitt recht eindeutig, welche elektronischen Geräte dieser Richtlinie untergeordnet sind: Nämlich alle, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen. Ein Handy fällt also genau wie eine Smartwatch oder ein Navigationssystem hierunter. Die Benutzung eines Akkuschraubers während der Fahrt hingegen wird von diesem Gesetz nicht geregelt.
Gut, verstanden. Ich will aber keine Löcher in mein Lenkrad bohren, sondern mein Handy benutzen. Wie geht’s also weiter?
Nun wird der Unterpunkt 1 interessant: Hier wird klar formuliert, dass ein entsprechendes elektronisches Gerät weder aufgenommen noch gehalten werden darf. Ein kurzer Blick in den Duden definiert das Verb “halten”:
“bewirken, dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung o. Ä. bleibt, Halt hat; Befestigung, Halt, Stütze o. Ä. für etwas sein”
Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ist mein Handy fest in einer Handyhalterung fixiert, darf ich es bedienen. Auch während der Fahrt! Denn in diesem Fall halte ich es ja nicht selbst fest.
Aber stopp, es gilt auch den zweiten Unterpunkt zu beachten. Denn zur legalen Nutzung eines elektronischen Gerätes müssen beide Kriterien erfüllt sein.
Punkt zwei unterteilt sich erneut in zwei Optionen. Was mit der Sprachsteuerung bzw. Vorlesefunktion gemeint ist, sollte klar sein. Falls nicht, frag einfach Siri.
Aber wie ist der zweite Teil zu verstehen?
Sollte mein Gerät sich nicht mittels Sprachbefehlen bedienen lassen, so kann ich auch klassisch darauf herumtippen. Jedoch nur kurz.
Wie lang genau “kurz” ist, hängt von den Begleitumständen ab. Dieser Absatz ist sehr schwammig formuliert, ist in jedem Fall Auslegungssache und bietet Vollstreckungsbeamten die Grundlage für Ermessensentscheidungen.
Heißt im Klartext: Der Polizist, der mich anhält um mir einen Handyverstoß vorzuwerfen, kann entscheiden, ob ich meine Aufmerksamkeit zu lang auf mein Handy gerichtet habe. Oder eben nicht. Oha.
Darf ich oder darf ich nicht?
Gehen wir unsere Beispiele von oben eins nach dem anderen durch:
Spielen mit Stück Holz: Ja. Da ein Stück Holz kein elektrisches Gerät darstellt, darf ich vor dem Hintergrund dieses Gesetzes damit machen was ich will. Theoretisch könnte ich daraus auch ein Männchen schnitzen.
Handy ans Ladekabel: Jein. Wenn das kabel bereits im Handy steckt, darf ich das andere Ende des Kabels natürlich in eine USB-Buchse stecken. Auch in eine Powerbank, da diese zwar als elektronisches Gerät, jedoch nur zur Energieversorgung und nicht zur Kommunikation, Information oder Organisation dient. Das Kabel jedoch ins Handy selbst zu stecken, ist fast unmöglich ohne das Handy in die Hand zu nehmen. Was wiederum verboten ist, dann hält man es ja.
Taschenrechner nutzen: Nein. Ein Taschenrechner ist ein elektronisches Gerät, welches Informationen liefert. Um ihn zu nutzen, muss man ihn halten. Außerdem würde selbst das Eintippen einer simplen Rechnung bereits unverhältnismäßig lang dauern.
Zwischenstopp ins Navi: Jein. Per Sprachbefehl darf ich meine Routenführung natürlich ändern. Nicht aber durch die Eingabe über eine Tastatur/ Touch-Bildschirm, denn auch das bündelt meine Aufmerksamkeit deutlich länger, als im Straßenverkehr vertretbar wäre. Die sicherste Lösung, sowohl im juristischen als auch im physischen Sinne ist, rechts ran zu fahren, den Motor abzustellen und das neue Ziel in Ruhe einzugeben.
Smartwatch: Jein. Es gibt keine rechtliche Grundlage, welche die Verwendung von Smartwatches im Straßenverkehr regelt. Jedoch ist es ein elektronisches Gerät, das alle drei Kriterien erfüllt: Kommunikation, Information und Organisation können über das technische Accessoire abgewickelt werden. Die Smartwatch wird nach Definition aber nicht gehalten, durch das Armband ist sie am Handgelenk fixiert. Bleibt nur noch Punkt zwei, Sprachsteuerung oder “kurzer” Blick… Und wieder begeben wir uns in einen Graubereich.
Lieblingslied im Autoradio: Nein. Auch hier würde man viel länger brauchen um das Lieblingslied zu finden, als im laufenden Verkehr zu verantworten wäre. Eine Ausnahme bildet natürlich die Sprachsteuerung.
Fies: Nutzung des Infotainment Systems
Wer jetzt denkt “Ha, ich nutze Apple CarPlay oder Android Auto!” sollte sich nicht zu siegessicher geben!
Ironischerweise macht der Gesetzgeber keinen Unterschied zwischen mobilen elektronischen Geräten, wie dem Handy und fest verbauten, wie einem Autoradio. Insbesondere Infotainment Systeme, welche CarPlay oder Android Auto unterstützen, dienen dem Erhalt von Informationen sowie der Kommunikation, aber auch der Organisation. Ja, ich muss es nicht selbst halten – wohl aber meine Blicke darauf richten.
Denn auch in der Automobilindustrie ist die Digitalisierung längst angekommen – Touchscreens übernehmen und ersetzen analoge Tasten. Bei allen Vorteilen hat genau diese Entwicklung einen entscheidenden Nachteil: Das Radio kann nicht mehr “blind”, also ohne hinzuschauen, bedient werden.
Ich erinnere mich an mein erstes Handy, SMS konnte ich blind schreiben – man kennt jede Taste, erfühlt sich den Weg zum Senden-Knopf.
Heute geht das nicht mehr, auf dem Smartphone bin ich gezwungen hinzuschauen. Das gleiche Phänomen in modernen Autos, allen voran der US Hersteller Tesla. Hier ersetzt ein riesiger Bildschirm nicht nur das Radio, sondern auch die Bedieneinheit der Klimaanlage, Heizung, Scheinwerfer, selbst die Innenraumverriegelung wird über das Display gesteuert. Wohin das führt?
Der Fall eines Tesla Fahrers ging für selbigen schlecht aus. Der Betroffene hatte beim Oberlandesgericht Karlsruhe Beschwerde eingelegt, nachdem er mit seinem Tesla Model 3 bei Regen einen Unfall verursachte.
Der Unfall entstand, weil der Betroffene auf dem fest verbauten, großen Touchscreen seines Fahrzeugs das Wischintervall der Scheibenwischer einstellen wollte. Dem OLG Karlsruhe zufolge handelt es sich aber auch bei diesem Bildschirm um ein elektronisches Gerät nach § 23 Abs. 1a StVO, welchem der Unfallverursacher sich mit “nicht angepasster Blickzuwendung […] und damit verbundenen Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen” zuwandte. Das Problem: zwar lässt sich der Scheibenwischer im Tesla auch mit dem Hebel am Lenkrad bedienen, das Wischintervall selbst kann jedoch nicht am Lenkstock festgelegt werden. Hierfür muss sich der Fahrer in ein Untermenü des umfangreichen Infotainment Systems tippen und dort aus fünf verschiedenen Modi wählen. Für das OLG ganz klar: Zu lang abgelenkt. In der Folge, wie eingangs erwähnt: 200 € zzgl. Bearbeitungsgebühr, ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg. Ob seine Versicherung den selbstverschuldeten Schaden bezahlt hat, ist unklar.
Beim nächsten Mal nutzt der Fahrer aber sicher die Sprachsteuerung seines Tesla!
Ausrede Start-Stop-Automatik
In einem Nebensatz habe ich weiter oben erwähnt, dass man das Handy bzw. alle elektronischen Geräte nutzen darf, wenn der Motor des Fahrzeuges ausgeschaltet ist.
Viele moderne Fahrzeuge verfügen über die sogenannte Start-Stop-Automatik, welche spritsparendes Fahren verspricht: Kommt das Auto zum Stillstand, etwa an einer roten Ampel, schaltet sich der Motor ab bis er durch das Treten der Kupplung oder Loslassen der Bremse innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen wieder anspringt.
Natürlich wurde das schnell zu einer beliebten Ausrede, an der Ampel kurz auf’s Telefon zu schauen. Der Motor ist doch aus?!
Eben nicht. Dieser Umstand ist ebenfalls im Gesetz festgehalten, liest man § 23 ein wenig weiter, findet man den entsprechenden Wortlaut:
“Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne.”
Ergo führt die Nutzung des Handys während aktiver Start-Stop-Automatik zum Handyverstoß. Nicht aber, wenn der Motor manuell abgestellt wird – in diesem Fall darf das Smartphone genutzt werden. Stellt sich nur die Frage, ob es empfehlenswert ist, den Motor an der Ampel ganz auszuschalten. Wahrscheinlich eher nicht.
Letztlich sei gesagt, dass das Gesetz bzw. das Verbot der Handynutzung nicht vorrangig dem Füllen der Staatskasse dienen soll. Auch geht es nicht um willkürliche Bestrafung, im Gegenteil: Es ist eine Maßnahme, schwere und oft tödliche Unfälle zu vermeiden.
Aus diesem Grund stelle ich mir mein Navi immer vor der Fahrt ein. Für die Musik ist traditionsgemäß sowieso der Beifahrer zuständig. Dank Apple CarPlay kann ich mir WhatsApp Nachrichten vom Auto vorlesen lassen und mein Handy bleibt im Handschuhfach.
Nur mein Stück Holz, das liegt immer griffbereit auf dem Armaturenbrett.