Online shoppen, Serien über Netflix konsumieren und über Whatsapp kommunizieren gehörten für die Deutschen auch vor dem Ausbruch der Pandemie schon zum Alltag. Die Corona-Krise hat diesen Bereichen jedoch noch einen deutlichen Entwicklungsschub verpasst. Wie eine aktuelle Studie belegt, verwendete bereits mehr als jeder zweite Deutsche diese Dienste auch vor der Krise, Tendenz steigend. Anbieter wie Amazon, Facebook, Zoom und Co. helfen die aktuell schwierigen Zeiten zu überbrücken und befriedigen dabei manche der wichtigsten Bedürfnisse: Information, Kommunikation, Versorgung und Entspannung. Gleichzeitig steigt auch die Abhängigkeit von diesen Unternehmen. Spannend bleibt jedoch die Frage: Wie wird die aktuelle Krise unser langzeitiges Digitalverhalten prägen?
Eine aktuelle repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter 2.038 Bundesbürgern im Auftrag der Versicherungsplattform Friendsurance belegt nun in Zahlen, was bereits viele vermutet hatten: Die Deutschen werden nach dem Ende der Corona-Krise deutlich digitaler sein, als vor Beginn der Pandemie. Das höchste Interesse an mehr Digitalisierung signalisierte in fast allen Bereichen die Altersgruppe 18 bis 34 Jahre. Doch selbst die ältere Generation erkennt zunehmend die Notwendigkeit und die Vorteile der Nutzung digitaler Möglichkeiten.
Video-Chat Dienste werden auch nach der Krise boomen: Rund 7,2 Millionen Deutsche planen diese häufiger zu nutzen
Online-Videokonferenz-Dienste (wie zum Beispiel Zoom, Skype, WhatsApp, Google Meet oder FaceTime) nutzten 64 % der Deutschen bereits vor Ausbruch des Coronavirus, um soziale Kontakte zu pflegen. Das ist mehr als jeder Zweite. Derzeit kaum vorstellbar: 26 % der Befragten haben noch nie Online-Videokonferenz-Dienste genutzt und lehnen deren Nutzung grundsätzlich ab, sei es aus Datenschutzgründen, aus mangelnder Vertrautheit mit solchen Angeboten oder weil sie eine persönliche Interaktion vorziehen. (10 % äußerten sich nicht zu dieser Frage.)
Nicht nur die Zahl der Nutzer, sondern auch die Häufigkeit der Nutzung ist entscheidend, wenn es zur Interaktion mit einem digitalen Angebot kommt. Denn sie sagt etwas darüber aus, wie sehr sich diese Dienste in unserem Leben etablieren.
10 % der Deutschen (rund 7,2 Mio.) sind davon überzeugt, dass sie in Folge der Krise Video-Chats vermehrt nutzen werden, um einerseits im Job verbunden zu sein, andererseits aber auch um soziale Kontakte zu pflegen. Und das dürfte nicht verwundern.
Kontaktvermeidung war und wird noch lange Zeit das Grundgebot bleiben. So verfestigen sich gewisse Rituale auch über die Pandemie hinaus: die Video-Telefonate mit Eltern und Großeltern, das Homeoffice und die damit verbundenen Videokonferenzen mit Kollegen, Remote-Workshops und Online-Fachkonferenzen, das Home-Schooling oder der Kita-Morgenkreis per Video, der regelmäßige Austausch mit Freunden, Arztgespräche, Rückensport und Feierabendbierchen trotz räumlicher Distanz.
Eines ist klar: Dieser Markt birgt sehr hohes Potential. Vor allem die jüngere Zielgruppe bleibt spannend, da ganze 17 % der 18- bis 34-Jährigen ihre Nutzung von Chat-Diensten intensivieren wollen. Welche breite Akzeptanz Chatdienste mittlerweile in Deutschland finden, wird jedoch an folgendem Fakt deutlich: Sogar 6 % der über 55-Jährigen gaben an, auch nach der Pandemie Videokonferenzen vermehrt zu nutzen.
In Erwartung einer digitalisierten Zukunft auch über die Corona-Zeit hinaus, gehen die Video-Chatdienste hohe Investitionskosten ein. Zum einen mussten die etablierten Player den plötzlichen Nutzer-Ansturm durch die Corona-Krise erst einmal stemmen und gleichzeitig die Gunst der Stunde nutzen, um die neu gewonnenen Kunden an sich zu binden. Zum anderen steigen neue Player in die Nische der Video-Chatdienste ein. Facebook z.B. zog schnell nach und erweiterte seinen Facebook-Messenger um eine Videokonferenz-Funktion. Das neue Messenger Rooms ermöglicht nun Videokonferenzen mit bis zu 20 Teilnehmern, zukünftig sogar mit bis zu 50 Personen. Branchenliebling Zoom rüstete notgedrungen etwa bei Infrastruktur und Datenschutz nach, um weiterhin die gewohnt hohe Bild-Ton-Qualität zu gewährleisten und gleichzeitig eine Datenweitergabe an gewerbliche Anbieter oder Hacker zu verhindern. Weitere bereits etablierte Dienstleister, wie Skype oder Google Meet, rüsteten ebenfalls bei ihren Features nach und übernahmen Funktionen wie etwa das Einfügen virtueller Hintergründe oder die Galerie-Ansicht, die bei Zoom-Nutzern sehr beliebt sind.
Video-Streaming Dienste bleiben auch zukünftig hoch im Kurs
Auf Platz 2 der Online-Dienste, die die Deutschen in Zukunft deutlich intensiver nutzen werden, sind TV- und Video-Streaming Dienste, die die Möglichkeit bieten, Filme, Serien, Dokumentationen, Nachrichten, Theater-, Opern- und andere Kultur-Aufführungen online anzuschauen.
Streaming-Dienste waren bereits vor Beginn der Corona-Krise bei den Deutschen hoch im Kurs: 67 % der Deutschen konsumierten Medienangebote in Form von Video-Streaming. Damals schon versuchten sich immer mehr Anbieter auf diesem Markt zu etablieren.
Seit Einführung der Ausgangssperren steigt die Zahl der Video-Streaming Angebote noch einmal deutlich an. In diese bewegte Zeit fällt zufällig auch der Launch des Disney+ Dienstes, der aber nicht krisenbedingt erfolgt ist, sondern als Teil des internationalen Rollouts. In den USA wurde der Service etwa 5 Monate früher gestartet. Klassische Kino-Anbieter (wie Cineplex oder verschiedene lokale Kinos) hingegen stellten notgedrungen auf Streaming um und zeigen — entgegen gängiger Praxis — sogar die neuesten Kinofilme, die derzeit in den Kinos lockdown-bedingt nicht besucht werden können, online. Mit dieser Strategie (und dem Comeback der Autokinos) können sie einen Teil des wegbrechenden Geschäftes ausgleichen. Doch nicht nur Video-Streaming, sondern auch TV-Streaming ist derzeit hoch im Kurs. Aufgezeichnete Sendungen und Filme aus Mediatheken werden aktuell ebenfalls verstärkt abgerufen.
Es ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage nach Videostreaming auch zukünftig hoch bleibt. Laut Studie, wollen 50 % der Deutschen die Video-Streaming verwenden, dessen Vorteile auch nach dem Ende der Krise genauso intensiv in Anspruch nehmen. Darüber hinaus planen 8 % der Deutschen (rund 5,7 Millionen Erwachsene, allen voran die 25- bis 34-Jährigen) nach der Krise häufiger mediale Angebote von Streaming-Diensten zu konsumieren und von deren Flexibilität Gebrauch zu machen. Das Streamen ermöglicht eine zeitliche und räumliche Flexibilität die den Zahn der Zeit trifft. Wie Kinos und Kultureinrichtungen zukünftig die richtige Mischung aus Streaming und Vor-Ort-Veranstaltungen finden, wird sich in den kommenden Jahren jedoch noch abzeichnen.
Interaktion mit Sozialen Medien wird in Zukunft weiter zunehmen
Deutsche Internetnutzer haben laut Hootsuites Digital Report 2019 durchschnittlich 5 Social Media Konten. Die beliebtesten Plattformen sind Youtube, Facebook und Instagram. Plattformen mit beruflichem Fokus wie Xing und LinkedIn nutzt nur rund jeder Zehnte deutsche Internetnutzer.
Laut der YouGov Studie im Auftrag von Friendsurance, sind 72 % der Deutschen bereits vor den Ausgangsbeschränkungen über Soziale Medien (wie z. B. Facebook, Instagram, LinkedIn oder Twitter) vernetzt gewesen.
Die Corona-Krise wirkt sich, laut Studie, auch auf Soziale Netzwerke eindeutig positiv aus, zumindest was die Interaktion angeht. Die Nutzer verbringen aufgrund der Ausgangssperren viel mehr Zeit in sozialen Netzwerken. Aus den Quartalsberichten von Facebook und Google für das erste Quartal 2020 wird deutlich, dass Soziale Netzwerke zwar aktuell exponentiell mehr genutzt werden, die Anbieter diese gesteigerte Interaktion jedoch aktuell nicht monetarisieren können, denn die krisengebeutelten Unternehmen in Deutschland und weltweit haben ihre Marketingausgaben reduziert und werben deutlich weniger auf Facebook und Co. Für die Nutzer selbst dürfte das sogar ganz angenehm sein, nach der auffälligen Zunahme von Werbung in den Newsfeeds in den letzten Jahren.
Nach dem Ende der Pandemie werden Social Media Plattformen voraussichtlich mehr Raum im Alltag einnehmen, zumindest bei 7 % der Deutschen (rund 5 Millionen Erwachsenen, vornehmlich 18- bis 34-Jährige). Zudem gaben 55 % der Umfrageteilnehmer an, den Sozialen Medien weiterhin in unverändertem Maße treu zu bleiben. Doch nicht bei jedem können Soziale Medien punkten: 21 % haben laut eigener Angaben noch nie Soziale Medien genutzt und lehnen deren Verwendung weiterhin ab.
Welche neuen Wege die Social Media Plattformen finden werden um einen Nutzen aus der gesteigerten Aufmerksamkeit zu ziehen und gleichzeitig die Dienste weiterhin kostenlos zur Verfügung zu stellen, bleibt abzusehen. Ein Teil der Werbetreibenden werden längerfristig ihre Ausgaben wieder erhöhen, es werden andere Produkte auf Facebook und Co. beworben, die vorher völlig undenkbar waren (z.B. personalisierte Gesichtsmasken). Vielleicht stellen die Anbieter Sozialer Medien zukünftig auch mehr bezahlte Features in Premium-Paketen zur Verfügung.
Weitere Online-Angebote, die nach Corona einen Zuwachs verzeichnen werden
Wird Deutschland immer digitaler? Hat die Pandemie nur einen Trend beschleunigt, der ohnehin schon stark vorangetrieben wurde im Deutschland des 21. Jahrhunderts? Oder profitieren wir in der Krise nun von den geschaffenen Strukturen und merken wie hilfreich diese alternativen Strukturen sind, um unsere Bedürfnisse zu decken?
Bereiche, in denen die Digitalisierung auch bisher fortgeschritten war, dürfen auch zukünftig mit einer Zunahme der Nutzung rechnen. Und das nicht nur bei Information und Kommunikation, sondern auch in weiteren Bereichen. Die Studienergebnisse zeigen, dass das Online-Shopping, Online-Banking, das digitale Abschließen und Verwalten von Versicherungen, die Online-Bildung und nicht zuletzt das Homeoffice (oder die zunehmende Digitalisierung der Arbeit) ebenso vom Social Distancing profitieren.
Auch die Politik stellt sich auf eine verstärkte Zunahme der digitalen Tätigkeit infolge der Corona-Krise ein und diskutiert jetzt schon einen gesetzlichen Rahmen dafür, wie etwa das Recht auf Homeoffice. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt seit Oktober 2020 von Seiten des Arbeitsministeriums jedoch vor. Außerdem investierte der Bund 500 Millionen Euro in den massiven Ausbau der digitalen Bildungsstrukturen. Eine Anpassung und Optimierung der Verbraucherschutzrechte für onlinebasierte Vertragsabschlüsse könnte noch folgen.