Nieder mit der Abo-Falle! Fair Contracts: Warum das neue Gesetz nicht nur gut ist

• Tim Meyer • Keine Kommentare • 

Fast jedem ist es schon mal passiert: Man schließt einen Vertrag ab, bspw. über einen neuen Handytarif. Ein attraktiver Preis bei grandiosen Leistungen und das für die nächsten zwei Jahre. Sorglos wird der Tarif genutzt, die Zeit vergeht – und schon hat man die Kündigungsfrist verpasst. Nun sieht man sich gefangen im eigenen Vertrag, denn zwei Jahre zuvor hat man auch unterschrieben, dass der Preis im dritten Jahr deutlich steigt. Dem wurde nun seitens der Bundesregierung ein Riegel vorgeschoben: Künftig sollen Verbraucher besser vor verlängerten Vertragslaufzeiten geschützt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ändert sich?

Im Juni 2021 hat der Bundestag ein neues Gesetz für faire Verbraucherverträge verabschiedet. Es wird für Fitnessstudio- und Handyverträge genauso wie Zeitschriftenabonnements und Stromverträge gelten, kurzum für alle Verbraucherverträge. Was sich im Detail ändert, haben wir nachstehend für Sie zusammengefasst.

Kürzere Kündigungsfristen

Fortan muss ein monatliches Kündigungsrecht gewährleistet sein, auch dürfen Verträge automatisch nur noch um maximal drei Monate verlängert werden. Die automatische Vertragsverlängerung um mehr als drei Monate ist nur dann zulässig, wenn der Kunde rechtzeitig vom Unternehmen auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen wird. Interessanterweise gelten die Regelungen zur Vertragsverlängerung nicht für Versicherungen.

Funfact: Ungeachtet dessen gibt es Anbieter wie Friendsurance, die schon seit längerem eine tägliche Kündigungsfrist anbieten und damit die gesetzlichen Mindestanforderungen weit unterbieten.

Versicherungsverträge ausgenommen

Während also Telekommunikationsanbieter wie O2 oder Telekom demnächst die Kündigungsfristen ihrer Handy- und Internetverträge nachschärfen müssen, bleiben deren Handyversicherungen von diesen Bestimmungen unberührt.
Der entsprechende Paragraph §308 im BGB wird um den Absatz Nr. 9 ergänzt. Darin wird definiert, wer von der neuen Regelung betroffen ist:

[…] Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand hat […] 

Das Stichwort hierbei ist “regelmäßig”, was bei einer Versicherung grundsätzlich nicht der Fall ist. Deshalb heißt es weiter: 

[…] dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge […] 

Damit gemeint sind also bspw. der Kauf eines neuen Laptop auf Raten: Hier wird ein Vertrag über Ratenzahlung geschlossen, die Lieferung erfolgt jedoch nur einmalig. Versicherungsverträge sind eindeutig ausgeschlossen.

Hinweis eines Versicherungsexperten:

“Grundsätzlich werden Versicherungen jährlich abgeschlossen, mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Das ist jedoch gesetzlich nicht allgemein für alle Versicherungen geregelt, hier müsste der Gesetzgeber nachziehen. Dass Versicherungen in diesem neuen Gesetz nun außen vor bleiben, hat unter Umständen damit zu tun, dass Versicherungen mitunter Risiken absichern, die in die Millionenhöhe gehen können. Das ist gegenüber Mobilfunkverträgen ein deutlicher Unterschied.”

Versicherungsexperte Friendsurance Deutschland

Kündigungsfristen bei Handyversicherungen

Die Kündigungsfristen fallen bei Handyversicherungsverträgen aktuell jedoch sehr unterschiedlich aus und tragen maßgeblich zur Kaufentscheidung (bzw. Abschlussentscheidung) bei. Während Anbieter wie Friendsurance, Assurant und Schutzgarant keine Mindestlaufzeit vorsehen und eine tägliche Kündigungsfrist anbieten, hat zum Beispiel die Wertgarantie mit drei Monaten Kündigungsfrist nach dem 2. Versicherungsjahr eine lange Vertragslaufzeit samt vergleichsweise langer Kündigungsfrist. Dennoch kann man anhand einer Reihe von Beispielen sagen, dass bei einem Großteil der Handyversicherungen die Bestimmungen des neuen Gesetzes für faire Verbraucherverträge bereits erfüllt wären. 

AnbieterKündigungsfrist
FriendsuranceTäglich kündbar, automatisch nach 5 Jahren
Hepster3 Tage vor Laufzeitende (Min. 3 Monate)
R+VAutomatisch nach 1 oder 2 Jahren
Extrapolice24Automatisch nach 2 Jahren
Schutzklick1 Monat vor Ablaufdatum (Min. 1 Jahr)
InzmoMonatlich kündbar nach 1. Jahr
ErgoMonatlich kündbar nach 1. Jahr
O2Monatlich kündbar nach 2. Jahr
Wertgarantie3 Monate nach 2. Jahr
Kündigungsfristen bei Handyversicherungen, Stand 30. Januar 2022

Kündigungsbutton

Auch für alle online abgeschlossenen Verträge ändert sich etwas grundlegend: Diese müssen künftig ebenso einfach wieder gekündigt werden können, nämlich online. Dafür sieht das neue Gesetz die Pflicht eines sogenannten “Kündigungsbuttons” vor.

Wo es bisher oft gängige Praxis war, eine Kündigung nur postalisch oder als Fax einzureichen, müssen Anbieter nun einen solchen Button auf ihrer Website einpflegen. Daran geknüpft ist die verpflichtende Bereitstellung einer elektronischen Kündigungsbestätigung – also eine Email, die dem Kunden den Erhalt der Kündigung bestätigt.

Telefonwerbung

Werbung am Telefon – seien wir ehrlich – ist in den meisten Fällen anstrengend. Sie erscheint selten seriös, das Vorgehen ist häufig sogar penetrant und manchmal lässt man sich eben doch etwas andrehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bezeichnet solche Werbung sogar als “unzumutbare Belästigung”.

Dagegen will die Bundesregierung stärker vorgehen: So werden Firmen, die dieser Praxis nachgehen, verpflichtet, die Einwilligung des Kunden zur Telefonwerbung zu dokumentieren und aufzubewahren. Kann diese nicht vorgelegt werden, werden bis zu 50.000€ Sanktion fällig.

Zusätzlich müssen sich praktizierende Unternehmen auf Verlangen des Verbrauchers künftig erklären können, etwa in der Frage, woher die private Nummer bekannt sei.

Strom- und Gasverträge

Verträge mit Strom- und Gasanbietern werden ebenfalls gesondert betrachtet: Diese sind künftig nur noch in schriftlicher Form rechtens. Das muss nicht zwangsläufig ein Brief sein, eine E-Mail gilt ebenfalls als Schriftform. Was jedoch (und darauf zielt das Gesetz ab) nicht mehr geht, ist das “Andrehen” eines neuen Vertrages oder einer Verlängerung am Telefon. Dadurch sollen Verbraucherrechte weiter gestärkt werden, undurchsichtige und übertrieben lange Verträge gehören somit hoffentlich der Vergangenheit an. Das dürfte auf jeden Fall im Sinne des Bürgers sein.

Ab wann ändert es sich?

Das neue Gesetz ist bereits verabschiedet, das bedeutet, dass sowohl der Bundestag als auch -rat dem Gesetzesentwurf am 24. Juni 2021 zugestimmt haben. Das heißt aber nicht, dass es seitdem vollumfänglich in Kraft getreten ist: Tatsächlich werden einzelne Aspekte nach und nach in die Praxis umgesetzt, den Unternehmen wird eine Übergangsfrist gewährt. 

Die Änderungen im Telekommunikationsgesetz, welche am 01. Dezember 2021 in Kraft treten, überlappen sich zum Teil mit dem neuen Gesetz für faire Verbraucherverträge. So ist es möglich, Festnetz-, Internet- und Mobilfunkverträge ab sofort monatlich zu kündigen.

Alle anderen Verträge sind von den neuen Regelungen zur Kündigung erst ab dem 01. März 2022 betroffen, der Kündigungsbutton muss ab dem 01. Juli 2022 verfügbar sein. 

Alle anderen Einzelheiten, wie die verschärften Strafen bei unsachgemäßer Telefonwerbung und die Pflicht der Schriftform bei Strom- und Gasverträgen, gelten hingegen bereits seit dem 01. Oktober 2021.

Was bedeutet das für mich? 

Für Sie bedeutet die Änderung erstmal nur Vorfreude. Denn sollten Sie aktuell in einem überteuerten Folgevertrag stecken, hat das neue Gesetz darauf keine Auswirkungen: Es greift nur für Verträge, die ab dem 01. März 2022 geschlossen werden. Dann kommen Sie nach Ablauf der ersten Vertragslaufzeit auf Wunsch einen Monat nach Eingang der Kündigung aus ihrem Vertrag.

Anders natürlich bei Internet-, Festnetz- und Mobilfunkverträgen: Diese unterliegen ab dem 01. Dezember 2021 dem monatlichen Kündigungsrecht. Grund dafür ist das überarbeitete Telekommunikationsgesetz. Sie kommen dadurch auch aus Ihrem alten Vertrag heraus, wenn Sie das möchten.

Den Kündigungsbutton können Sie hingegen, sobald er denn verfügbar ist, auch für Ihre alten Verträge nutzen. Manche Anbieter haben den Kündigungsbutton bereits umgesetzt: Ein Paradebeispiel ist der US Streamingdienst Netflix. Mit nur drei Klicks können Sie ihr Abo rechtsgültig kündigen und erhalten die Bestätigung per E-Mail. 

So einfach wird es mit Sicherheit nicht bei jedem Anbieter sein, doch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist getan.

Was Ihnen jetzt noch zu tun bleibt? Checken Sie Ihre laufenden Verträge und Abonnements auf die jeweiligen Kündigungsfristen, stellen Sie sicher, nicht in ein teures (drittes) Jahr zu rutschen! 

Wo ist der Haken?

Eine Frage, die sich Verbraucher bei Vertragsabschluss fast immer stellen. Deshalb greifen wir sie hier auch auf. 

Einen Haken per se gibt es nicht. Allerdings kann man davon ausgehen, dass attraktive und günstige Tarife künftig wohl deutlich weniger angeboten werden.

Um das Beispiel Handytarife noch mal aufzugreifen, ein beliebtes Modell sind zwei Jahre Allnet Flat inklusive Unmengen an Datenvolumen für den sprichwörtlichen schmalen Taler. Solche Angebote sind nur möglich, weil der Anbieter damit rechnet, dass Kunden ihre Kündigungsfrist verpassen und im dritten Jahr ordentlich draufzahlen. Da diese Option ab März 2022 nicht mehr gegeben ist, könnte es sein, dass die Angebote entsprechend angepasst werden. Das wäre dann schade für alle, die ihre Kündigungsfrist immer im Blick haben und von derartigen Deals tatsächlich profitieren konnten.

Es bleibt abzuwarten, was und wohin es sich verändert. Fakt ist: Als Verbraucher können wir uns auf mehr Flexibilität freuen!